27.01.2010 Mittwoch

Noch vor dem Frühstück schick ich Senor Manfrino die gewünschten Kopien per E-Mail und danach hab ich ja auch noch was zu tun. Brauch ja unbedingt noch Straßenkarten damit ich wenigstens in dieser Hinsicht nicht so orientierungslos Unterwegs bin. Ganz zuverlässige Orientierungspunkte hab ich ja jetzt. Aber immer langsam und sich damit den herrschenden Landessitten anpassen. Deshalb erstmal geruhsam Frühstücken, Duschen, Wäsche waschen und dann los.
Aber auf dem Weg zum Frühstück erst mal an der Rezeption sicherheitshalber die Zimmerreservation um vier Nächte verlängert. Eigentlich wollte ich ja morgen Cancun den Rücken kehren, aber ich fürchte das wird nicht klappen.
Als ich im überraschend vollen Restaurant nach einem freien Tisch ausschau halte, bittet mich ein Ehepaar zu sich an den Tisch. Es sind FrancoKanadier aus Vancover. Wir sprechen alle recht schlecht Englisch und so wird die sofort begonnene Unterhaltung recht lustig und sehr lang. Sie haben gehört das ich der Besitzer der Kawa bin, er selbst hat eine Suzuki DR650 und ist deshalb neugierig was ich vor hab. Sie reisen schon seit Jahren immer für 6 Wochen nach Mexico. Jeweils drei Wochen davon fahren sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im Land herum, die restlichen drei Wochen treffen sie sich mit ihren Kindern und machen Urlaub. Mit ihren Tipps zum Surfen und Tauchen kann ich leider wenig anfangen. Aufgrund der Unterhaltung ist das Frühstück interessanter als sonst, dauert dafür aber auch erheblich länger.
Es wird deshalb fast Mittag bis ich das Hotel verlasse und ich Depp zieh wieder in der größten Hitze los. Beim ersten Markierungspunkt auf der Karte werde ich nicht fündig. Keine Spur von einem Buchladen. Hätte mich auch gewundert, ist nur ca. 200m vom Hotel entfernt, liegt auf dem Weg zum Busbahnhof und da bin ich ja auch schon oft genug lang geschlurft. So auch heute, denn der zweite Markierungspunkt ist ein Einkaufszentrum hinter dem Busbahnhof.

Übliche, tägliche Verstopfung in der Nähe des Busbahnhofs.

Wenn ich dort nicht fündig würde, so sei doch mit Sicherheit in der Gegend hinter dem Einkaufzentrum war mir bei der Touristinformation versichert worden.
Das ganze Einkaufszentrum hoch und runter, doch überall wurde nur ratlos mit den Schultern gezuckt wenn ich nach mapa de carreteras frug. Entweder hab ich nur Benutzer des öffentlichen Verkehrssystems getroffen, oder meine Aussprache ist derart grottenschlecht das die Leute wirklich nicht Wissen konnten was ich von ihnen wollte. Auf jeden Fall wurde ich im Einkaufszentrum nicht fündig und so wurde die Nachbarschaft unter die Füsse genommen. Das nahezu in jeder Adresse zu findende Kürzel SM steht ja eh für Supermanzana und das heißt so viel wie Nachbarschaft ….

Alles was ich fand war der Mercado 23. Ein riesiges Gewirr aus Gassen und Buden mit dem tausendfach gleichen Angebot an T-Shirts, Hemden, Hosen, Kleidern, Taschen, Sonnenbrillen etc. Pittoresk zwar, erinnert an die italienischen Märkte oder die an der tschechischen Grenze. Wer einen gesehen hat kennt alle. Was für chronische Klamottensucher oder Accessoires, aber nicht der Ort wo man Bücherläden mit Straßenkarten antreffen würde.

Auf dem Rückweg fand ich dann noch etwas was ich gar nicht gesucht hatte. Das Rotlichtviertel bzw. -straße. Als ich dort so suchend reinspäte löste ich hellen Aufruhr unter den Dienstleistungsanbieterinnen aus. So viele Frauen wie dort haben mir in meinem Leben bisher noch nie zugewunken 😉

Zurück im Hotel muss ich als erstes gleich wieder unter die Dusche. Sie macht mich nur wenig frischer. Sie viel wie in den wenigen Tagen in Cancun bin ich schon seit Jahren nicht mehr gelaufen. Wird allerhöchste Zeit das ich meinen Hintern wieder auf ein Motorrad schwingen kann. Doch keine Nachricht von Herrn Manfrino. Ich setz mich deshalb hin und schreib eine E-Mail an den Betreiber einer Onlineagentur für den Vertrieb von Haftplichtversicherungen für Mexico. Darin beklag ich mich das man als Nichtami (Country – other) zwar bis zur Angebotserstellung kommt. Beim Kauf dann aber darüber stolpert das in der Eingabemaske für Persönliche- und Fahrzeugdaten nur US-Vorgaben zur Auswahl stehen.

Zu meiner großen Überraschung erhalte ich kaum eine Sunde später eine Antwort. Ich könne ruhig die amerikanischen Vorgaben stehen lassen, bzw. in freie Pflichtfelder irgend etwas und meine für die Versicherung wichtigen Daten im Feld Bemerkungen eingeben. Sie würden das dann bei der  Erstellung der Police berücksichtigen. Falls ich Hilfe bräuchte, könne ich unter der angegebenen Nummer anrufen. Klasse, noch ein Möglichkeit zur einer Versicherung zu kommen.
Ich schreib sofort zurück, bedank mich für die schnelle Antwort und versichere auf das Angebot zurück zu kommen wenn der örtliche Versicherungsagent nicht in die Puschen kommt. Schließlich will ich noch wissen ob die angegebene Telefonnummer eine US-Amerikanische oder Mexikanische ist.
Von Herrn Manfrino hab ich inzwischen eine E-Mail bekommen. Mein „Fall“ sei in Arbeit.

28.01.2010 Donnerstag

Von den Amis ist eine E-Mail da. Die angegebene Telefonnummer ist in den USA und ich könne sofort unter meiner Offertnummer online buchen. Wird sofort ausprobiert. Nicht zu fassen. Sie haben doch tatsächlich die Eingabemaske angepasst und alle meine Angaben zur Offerterstellung (fast) richtig in die entsprechenden Felder übernommen. Lediglich an ein paar Kleinigkeiten wäre noch zu mäkeln. Aber insgesamt muss ich sagen Klasse, das nenn ich kundenorientiertes Handeln. Zwar nicht uneigennützig, aber sowas bin ich nicht gewohnt, obwohl ich mir während meiner aktiven Zeit als Informatiker einen hohen Grad an Kundenorientiertheit eingebildet habe, aber wegen einem ?
Trotzdem breche ich die Buchung ab, denn Senor Manfrino soll seine Chance haben. Also ruf ich ihn an, erreich ihn sogar auf Anhieb und informiere ihn über die Arbeit und das Angebot der Amis. Er ist hörbar überrascht, will nochmal in der Zentrale Druck machen, kann mir aber nicht sagen bis wann er mir ein Angebot machen kann. Klingt alles recht vage, aber bis heute Abend lass ich ihm Zeit.

Von der angekündigten Abkühlung und dem Sturm ist nichts eingetroffen. Strahlend blauer Himmel und gnadenlose Hitze. Jetzt mach ich was wonach ich in den letzten Tagen schon öfter gefragt wurde. Ich stell mich an der Strasse zu den Wartenden und fahr mit dem Bus ans Meer. Genauer zur Zona Hotelera. Nachdem schon etliche Hotels am Fenster des Buses vorbeigerauscht sind und das anscheinend keine Ende nehmen will steig ich einfach irgendwo aus. Wie sich später rausstellt bin ich so etwa bei Kilometer 4 gelandet. Vier Kilometer lang Hotel an Hotel und es will noch lang kein Ende nehmen. Ich hab zwar schon viel über die Hotelzone gelesen, aber die Realität stellt schon jetzt die Phantasie in den Schatten. Dabei ist das erst der Anfang. Ich zieh Schuhe und Strümpfe aus, lauf barfuß über den Strand. Irrsinnig. Sowas hab ich noch nicht erlebt. Strahlend weißer Sand und fein wie Babypuder. Für Liebhaber von Strandurlaub sicher ein Traum.

Capti’n Hook bei KM 4.
Die Dinger fahren doch tatsächlich auf’s Meer raus.
Den Lärm der Animation hört man bis hier.
Egal in welche Richtung man blickt: Hotels.

Am Durchstich von Meer zur Lagune steht ein Turm an dem eine drehbare Aussichtsplattform hochfährt. Sicher ein herrlicher Blick auf den Wahnsinn. Aber 10 Dollar für die Fahrt sind mir zu viel. Ich steig lieber wieder in den Bus und schau mir das Ganze beim Vorbeifahren an. Die Hotelbauten nehmen kein Ende, sondern werden immer gigantischer. Bei Kilometer 9 steig ich wieder aus. Hier ist so etwas wie ein größerer zentraler Patz mit Raum für Einkaufscenter, Freizeitstätten, Restaurants etc., d.h. neben den Hotels so ein Anflug von (touristischer) Infrastruktur.

Wie viel Hotelbetten sind das ?
Infrastruktur: Bars und Restaurants.
Mit „Lage direkt am Meer“ wird es manchmal etwas übertrieben.
Teurer Tand für Touristen.
In all der Pracht schon der beginnende Untergang oder noch Schäden vom letzten Hurrikan ?
Mexikanisches Kunsthandwerk an jeder Ecke.
Außer dem Meer gibt es auch noch die Lagune.
Im Coco Bongo wird die Nacht zu Tag – so heißt es.
Hinter dem Nachtclub – ist doch VIEL schöner.

Ich schlendere durch eines dieser Einaufscenter. Sehr ,sehr edel. Aber auch hier das ewig gleiche, sich mehrfach wiederholende Angebot. Klamotten, Klunker, Schuhe, Brillen, Parfums etc. Wenn man nicht so ein Shopingfreak ist richtig langweilig. Nur eines ist angenehm, die Verkäufer versuchen einen nicht so penetrant aufdringlich in die Läden zu locken. Mit einem der Touranbieter komm ich ins Gespräch und er gibt mir einen wertvollen Tipp wo ich auf jeden Fall Straßenkarten bekäme. In der Stadt im Wal-Mart. Da fährt von hier aus eine Busline dran vorbei. Wal-Mart sei an den entsprechenden Bussen angeschrieben. Haben die in der Touristinformation die Einkaufszentren verwechselt ?? Wär ja ’n Ding. Hätte mich doch fast einen ganzen Tag gekostet. Allerdings hätte ich dann das Erlebns mit der Menge mir heftig zuwinkender Weiblichkeit nicht gehabt. Aber ob das den heute ausgefallenen Besuch der Isla Mujeres aufwiegt ?

Nach dem Gespräch mit dem Touranbieter leiste ich mir drei Kugeln Eis bei Häagen Dasz. Als mir die Rechnung präsentiert wird falle ich fast vom Stuhl. 10 Dollar ! Da lobe ich mir doch die Neuenburger Eisdiele. Besser, billiger und mehr für’s Geld. Nach diesem Schock wart ich auf den passenden Bus und fahre zu Wal-Mart.

Der Busfahrer muss gespürt haben wo ich hin will. Denn nachdem an der Haltestelle schon alle ausgestiegen sind, fährt er wieder an, stoppt dann aber sofort wieder, dreht sich in meine Richtung um und frägt „Wal-Mart“. Ich nicke, er weist zur Tür und ich hechte hinaus. Sehr ungewöhnlich. Normalerweise halten die nur zum Ein- und Aussteigen, kassieren das Fahrgeld und kümmern sich sonst nicht weiter um die Fahrgäste. Von der Ansage der Haltestelle ganz zu schweigen.

Als ich mich umsehe, entdecke ich von einem Wal-Mart keine Spur. Also lauf ich erstmal ’ne Weile die Strasse lang. Nichts. Auch keine Fußgänger die ich fragen könnte. Dafür auf der anderen Straßenseite „Distribuidor Autorizado BMW MOTORRAD“. Nix wie rüber, der kann mir sicherlich einige Fragen beantworten. Von den teuren Teilen hab ich ja schon einige in Cancun fahren und rumstehen sehen. Senor Almada ist ganz erstaunt über meine Frage nach einer Haftpflichtversicherung für’s Motorrad und frägt mich wozu ich sowas überhaupt brauch. Scheint in Mexico wohl wirklich nicht üblich zu sein. Er erklärt mir dann, wenn überhaupt so eine Versicherung, dann nur im Gesamtpaket mit Lebens- und Finanzierungsversicherung, Rechtsschutz usw. Na gut, da scheinen die Mexikaner im Fall eines Unfalls ja wenig Angst vor ihren Gefängnissen zu haben, bzw. machen sich gleich aus dem Staub, denn Unfallflucht soll ein weit verbreitetes Delikt sein.
Er frägt mich, warum ich überhaupt das Motorrad mitgebracht habe. Sich eines in Mexico zu kaufen sei einfach und billiger. Ich weis nicht, so eine Zweizylinder 650GS ist bei ihm mit 9.000 US-Dollar ausgezeichnet und ob da schon alle Kosten drin sind ist auch unklar, ebenso wie die Versicherungsfrage. Immerhin bietet er mir im Laufe des Gesprächs an meine Kawa im Mai bei sich unter zu stellen, bis ich dann im Herbst wieder nach Mexico zurück komm. Das ist doch schon mal was. Und wie ich den Wal-Mart finde (ist in der Parallelstraße) kann er mir auch verraten.

Im Wal-Mart find ich tatsächlich Straßenkarten. Doch ich bin was Karten betrifft wohl zu verwöhnt, denn das was ich hier finde ist meiner Einschätzung nach nahezu unbrauchbar. Entweder Straßenkarten für die einzelnen Provinzen in brauchbaren Maßstab (je nach Größe der Provinz wechselnd, denn die muss ja auf die gleiche – viel zu kleine – Kartengröße), die Nachbarprovinzen sind dann aber im wahrsten Sinne des Wortes weiße Flecken auf der Landkarte. Für eine über Provinzgrenzen hinausgehende Tourenplanung absolut unbrauchbar und für ganz Mexico bräuchte ich ca. 30 Karten. Dann gibt es noch eine Karte von gesamten Halbinsel Yucatan, aber derartig klein gedruckt das ich selbst mit Vergrößerungsglas kaum was erkennen könnte. Sich dafür extra ein Mikroskop kaufen, ich weis nicht ..
Dafür ist die Auswahl an Straßenatlanten recht groß. Die maßstäblich wirklich brauchbaren aber so groß und dick das ich wohl noch einen Anhänger bräuchte. Also kauf ich mir notgedrungen die Provinzkarten von Quintana Roo (Cancun) und Yucatan (Merida), sowie den Straßenatlas den ich grad noch in den Tankrucksack bekomme. Mit dem Maßstab 1: 1 750 000 ist das Kartenbild aber so klein, das ich als halbblinder Schwierigkeiten haben werde meinen Standort und das Ziel zu lokalisieren.
Für’s Erste wird es reichen. In Merida werde ich dann versuchen was für mich brauchbareres auf zu treiben, aber große Hoffnungen mach ich mir keine.

Es ist schon dunkel als ich ins Hotel zurück komm. Von Senor Manfrino ist noch keine Nachricht da. Um halb neun schau ich nochmal meine Mailboxen durch. Immer noch nix. Kurzentschlossen kauf ich bei
den Amerikanern. Die Versicherungspolice im PDF-Format kann ich mir auf einem Drucker des Hotels ausdrucken. Als ich danach nochmal meine Mailbox öffne um den Rest des Papierkrams herunter zu laden ist auch eine Mail von Senor Manfrino da. Er kann mir jetzt ein Angebot machen…
Schade. Ich hätte lieber einen lokalen Agenten etwas verdienen lassen, aber wie sagte schon Gorbatschow ?

Donnerstag Abend und ich hab jetzt alles was ich für den definitiven Reisestart brauche, denn bisher bin ich ja nicht viel mehr als nur in Mexico angekommen. Morgen Früh könnt ich los, aber ich hab meine Hotelbuchung verlängert und schon bezahlt. So gleicht sich alles aus. Der eine ist zu spät, der Andere zu früh dran.

4. Irgendwie regelt sich alles