Bin schon wiedermal viel zu lange in einer Stadt hängen geblieben und dem süßen Nichtstun, dem Stadtbummel, dem Schauen, der relaxten Atmosphäre und den angenehmen Temperaturen verfallen. Nun ja, hab die Zeit auch genutzt um ein paar Berichte zu schreiben und ins Netz zu stellen, aber es wird höchste Zeit für einen Ortswechsel, diesmal sogar in ein anderes Land.
Deshalb verlass ich heute diese Oase, schwing mich auf’s Motorrad und fahr Richtung Grenze zu Guatemala. Doch zuerst wird am Wallmart nochmal halt gemacht und Verpflegung gebunkert. Weiß ja nicht was dort auf mich zu kommt.

Der letzte Kreisverkehr am Ortsausgang ist von Lastwagen, die mit Transparenten behängt sind, blockiert. Ich kann unbehindert durch die Lücken durchfahren, Autofahrer die das versuchen, werden zum Anhalten gezwungen. 16 km weiter das gleiche Bild. Die Kreuzung Panamericana und Carretera Fronteriza ist ebenfalls durch Lastwagen blockiert. Wieder kann ich mich unbehindert durch die Lücken schlängeln.

Diese Blockaden haben etwas Gutes, denn der Verkehr ist praktisch Null aund auch an der Grenze von Mexico in Cuidad Cuauhtemoc ist nichts los. Mein temoräres Importpermisio bin ich in 10 Minuten los und auch auf den Ausreisestempel muß ich nicht länger warten. Für’s Geldwechseln werd ich zur Grenze verwiesen, denn die eigentliche Grenze kommt etwa drei Kilometer später, bei dem guatemaltekischen Ort La Mesillia. Auch dort sind nochmals mexicanische Zollbüros, aber diese interessieren nicht mehr.
Ich schau mich nach Wechselbüros um, es gibt aber keine. Nur zwei zwielichtige Gestalten mit Geldbündeln in der Hand lungern in der Gegend rum. Wechselkurs bei ihnen: 1000 Peso = 600 Quetzal. Schlecht, in San Cristobal gab es dafür 640 Quetzal. Merkwürdigerweise gab es in Comitan – viel näher an der Grenze – keine einzige Wechselstube und die Banken wollten nur Dollars in Quetzal tauschen.

Trubel an der Grenze

Innerhalb der Zollstationen beidseits der Grenze ist ein mords Trubel. Haufenweise lungern Leute in der Gegend rum oder rennen geschäftig hin und her. Trotzdem bin ich bei der guatemaltekischen Migration der einzige Kunde. Sieben Beamte hängen in der Gegend rum, lesen Zeitung, spielen mit den Handys usw, nur einer hockt hinter einem der zwei vorhandenen PCs. Dieser bekommt meinen Paß zugereicht und hämmert dann in die Tasten. Kurze Zeit später bekomm ich ihn gegen 20 Peso „Einreisegebühr“ wieder.
Ein paar Meter neben der Migration ist der Zoll, wo ich das Motorrad registrieren lassen muß. Sie wollen Reisepass, Fahrzeugschein und Führerschein. Eigentlich hab ich erwartet mit diesen Papieren zu einem Copyshop watscheln zu müssen, aber die Aduna hat selbst einen Kopierer und fertigt die drei Sätze Kopien an. Während ich die Zollerklärung ausfülle, geht einer der Beamten zum Motorrad und vergleicht Kennzeichen und Fahrgestellnummer mit den Papieren.
Dann bekomm ich eine Rechnung – mit drei Durchschlägen – in die Hand gedrückt und muß in das Bankbüro nebenan. Dort 52 Quetzal abgedrückt, mit den gestempelten Belegen wieder zur Aduana. Dort unterschreibt der Zöllner alle Belege, dann muß ich überall unterschreiben, bekomm dann das Original und eine Vignette die ich an die nichtvorhandene Frontscheibe kleben soll.

Drauf auf’s Motorrad, die Schranke hebt sich und gleich darauf bin ich in Guatemala.

Insgesamt hat die Aus- und Einreiseprozedur etwa anderthalb Stunden gedauert. Schnell, wenn ich das so mit anderen Reiseberichten vergleich.
Der Grenzort La Mesillia ist ein einziges Chaos. Beidseits der schmalen Straße ist Verkaufsstand an Verkaufsstand aufgebaut, massenweise Fußgänger unterwegs, dazwischen Busse, Lastwagen, Tuk-Tuks usw. Es ist ziemlich mühselig sich dort durchzudrängeln.

Die Fahrt nach Huehuetenango führt dann zunächst in einem schmalen, gewundenen Tal bergauf, dann eine Schlucht entlang sanft wieder bergab. Auf dieser etwa 80 km langen Strecke sind für mich ungewohnt viele Dörfer und kleine Städte. Bei deren Durchfahrt stell ich fest, Guatemala ist ähnlich wie Mexico, aber doch völlig anders. Klingt widersprüchlich, aber ich kann es nicht anders beschreiben. Guatemala ist sichtbar ärmer, verkaufsmässig spielt sich noch mehr auf der Straße ab, d.h. das Gewusel ist noch größer, Indigenas mit ihren bunten, schönen Trachten dominieren das Bild. Es sind haufenweise Motorräder – in der Mehrzahl kleine Enduros bis zur DR 350 – und Motorroller unterwegs, Busse und LKWs werfen derartig schwarze Abgaswolken in die Luft – und damit auch auf alle Verkaufstände entlang der Straße -, daß jeder deutsche Umweltapostel bei deren Anblick vor Empörung sofort einen Herzkasper bekäm.

In Huehuetenango bin ich gegen 16 Uhr. Es ist keine schöne Stadt, selbst die Plaza nicht, wobei der größte Teil davon hinter einem hässlichen Wellblechzaun verschwindet, mit engen Straßen und dichtem Verkehr. Die Einheimischen Zweiradfahrer schießen da durch als gäbe es kein Morgen mehr.

Ich hab einige Schwierigkeiten das Zentrum zu finden, stell dann an der Plaza das Motorrad ab und mach mich zu Fuß auf die Hotelsuche. Ich hab Glück. Gleich im nächsten Block ist das Hotel Central, parken kann ich im Innenhof und ich bekomm ein großes Zimmer mit drei französischen Betten für 40 Quetzal pro Nacht (etwa 4 Euro!).
Ich weiß zwar nicht wo ich die vielen Frauen hernehmen soll um die Betten zu füllen, aber zwei von ihnen sind ohnehin so weich, daß man ohne Hilfe aus ihnen nicht mehr raus kommt und scheiden daher als Liegestat eh aus.
Der Abendbummel bestätigt dann meinen Eindruck vom Nachmittag. Die Stadt ist alles andere als schön, aber extrem wuselig, hat eine mit Marktständen übervolle Markthalle und mehrere Marktstraßen mit vielen wunderschönen Fotomotiven, wenn man denn so einfach fotografieren könnte …

Schwarzwälder Kirschtorte in Guatemala?

Bei dem Stadtbummel stell ich fest, daß die Auswahl an Backwaren in den Panaderias aüßerst bescheiden ist. Meine Ernährung seh ich daher als existentiell gefährdet an, muß später aber feststellen, daß es eine ausreichende Anzahl von Cafes mit Torten und süßen Stückchen gibt, die mein Verhungern verhindern werden.
Später land ich dann in einem viel zu teuren Restaurant, wo das Fleisch zwar auch dünn, aber Ausnahmsweise nicht zäh ist, zahl dafür aber auch für das Essen mit einem FVB 90 Quetzals. Als ich dann so gegen 20 Uhr das Restaurant verlasse und mich auf den Weg zum Hotel mache, muß ich feststellen, das die Bürgersteige bereits hochgeklappt sind. Auch an der Plaza ist nichts mehr los. Völlig ungewohnt, in Mexico ging da das Leben erst richtig los.

Am nächsten Tag (11.01.) will ich die Ruinen von Zaculeu, 4 km nordwestlich von Huehuetenango, besichtigen und danach in die Berge, die gleich hinter der Stadt bis weit über 3000 Meter Höhe empor wachsen.
Trotz Kompaß und vielem Nachfragen find ich Zaculeu nicht. Gut, dann gibt es heute eben keine alten Steine. Die Ruinen sollen 1950 von der United Fruit Company ohnehin mit viel zu viel Zement „restauriert“ worden sein. Geht es also gleich in die Berge nach Todos Santos.

Dieser Weg ist, da ausreichend beschildert, viel einfacher zu finden. Hinter Chiantla geht es steil bergauf. Die Serpentinen würden jedem Alpenpaß gut zu Gesicht stehen. Wenn ich da eine Weile hinter einem Bus oder LKW hänge, merk ich immer wieder das der 1. Gang der KLR viel zu lang übersetzt ist, obwohl ich hinten schon ein größeres Kettenrad drauf hab.
Leider steht es auch hier mit der Fernsicht nicht zum Besten, aber es bieten sich wunderbare Ausblicke ins Tal.

Blick von der Sierra de los Cuchumatanes
Der erste Höhenzug
karge Hochebene auf 2500 m ü.N.N.
Camioneta oder auch Chickenbus genannt

Nach der ersten Bergkette kommt man auf eine karge, windige, kalte Hochebene in etwa 2400 Meter Höhe. Es sind etwa 10 km auf der bisher sehr guten Teerstraße zu fahren, dann kommt die Abzweigung nach Todos Santos und es geht etwa 30 km auf einer Sand- und Schotterpiste runter bis auf 1400 Meter.

Steile Felder
Todos Santos
Teil des Marktes von Todos Santos
Zentraler Platz aber nicht die Plaza !
Unterkunft gibt es auch
Die berühmte Männertracht

Obwohl es in Todos Santos sehr windig und rauh sein soll, ist es deutlich wärmer und angenehmer als auf der Hochebene. Ich schlendere etwas durch den Ort und bin in meiner Motorradkleidung für die Bewohner so exotisch wie diese in ihrer Tracht für mich.

Begegnung am Straßenrand
Auf fast 3000 Meter Höhe

Nach Todos Santos will ich weiter in die Berge Richtung Soloma zu den höchstgelegenen Dörfern Guatemalas. Ich fahr auch ein ganzes Stück, aber der Himmel wird immer dunkler und es wird immer kälter. Als es dann in den Bergen vor mir kohlrabenschwarz wird dreh ich um. Viel Zeit zum Weiterfahren hätte ich eh nicht mehr gehabt, denn es geht schon auf 15 Uhr zu.

Auf dem Rückweg mach ich noch Halt in Chiantla, 7 km von Huehuetenango entfernt. Hier steht eine berühmte Wallfahrtskirche mit der Versilberten Virgen de Candelaria. Die Kirche ist weder außen noch innen – bis auf die Decke – besonders schön, aber die Heilige, mit der vor ihr knieenden Puppe, kitschig genug für ein Photo.

Virgen de Candelaria
örtliche Tracht
clear

Gegen 17 Uhr bin ich wieder im Hotel, werf die Motorradklamotten von mir, stürz mich in Zivil und geh in die Stadt. Tatsächlich, kaum wird es dunkel beginnt ein Geschäft nach dem Anderen zu schließen und auch die Straßenhändler räumen ihren Kram zusammen. Ein kurzer Geschäftstag, öffnet vor 9 Uhr doch nix und erst ab 10 Uhr kann man erwarten das so allmählich alles auf hat.

Da das Hotelrestaurant geschlossen ist, gönn ich mir in einem einfachen Restaurant eine kleine Pizza mit Bier und leg dafür 38 Quetzal hin. Damit bin ich deutlich günstiger satt geworden als gestern.
Um 20:30 Uhr geh ich in das Internetcafe um die Ecke, auch da rasselt der Rolladen schon um 22 Uhr. Auch beim Hotel steh ich dann vor verschlossener Tür und muß eine Weile klingeln bis mir Einlaß gewährt wird.

Aus irgend einem Grund fällt es mir heute (12.01.)besonders schwer auf zu stehen, obwohl ich schon vor 7 Uhr wach geworden bin. Bis um 10 Uhr zöger ich das Aufstehen hinaus, dreh dann noch einige Kreise um mich und mach mich dann auf den Weg zum Kaffee im übernächsten Block, um dort das Desayuno einzunehmen. Es gibt „Kontinental“. Vier Scheiben Toastbrot, Marmelade, Butter und eine Tasse Kaffee für 15 Quetzal. Reicht gerade um den Hunger bis zum Nachmittag zu stillen. Danach streich ich durch die Stadt, ärgere mich über die vielen Fotomotive die mir entgehen oder wo ich beim besten Willen einfach kein Bild machen kann. Trotzdem bekomm ich einiges in den Kasten.

Der Herr hat mich ganz schön beschimpft
Wer möchte in dieses Krankenhaus?
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Überall massenhaft parkende Zweiräder
Sie hat nichts bemerkt
Warten auf den Bus
Sie verkauft dieses Grünzeug
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junge Schönheit
Hat er bemerkt das er fotografiert wird?

Am Nachmittag gönn ich mir zur Stärkung einen Kaffee und ein Stück der „Schwarzwälder Kirschtorte“. Die Torte ist von einer Schwarzwälder zwar Meilenweit entfernt, aber trotzdem nicht schlecht. An die guatemaltekischen Cafes kann ich mich gewöhnen. Guter Kaffee, nicht wie so häufig in Mexico eine Tasse heißes Wasser und Nescafé, und Torten ohne die schrillen Lebensmittelfarben wie sie im Nachbarland häufig zum Einsatz kommen. Mit 12 bis 17 Quetzal für ein schmales Tortenstück leider kein ganz billiger Genuß.

Schön bestickte Huipil (Bluse)
Kopfschmuck
Kathedrale
Auch Indigenas benutzen moderne Medikamente
Würstchenstand
Marktgewimmel
Auch überteuerte Moppeds verirren sich hier her

Nach der Stärkung dreh ich bis zur Dunkelheit noch meine Runden und geh Richtung Hotel als die Bürgersteige hochgeklappt werden. Das vermiß ich jetzt schon, dieses abendliche bunte Treiben auf den Plazas in Mexico.
Zu Abend ess ich heute im Restaurant des Hotels das Gericht des Tages, was Anderes gibt es eh nicht. Ein kleines Stück Hühnchen, Reis und Salat, zum Nachtisch Mangokompott und dann noch eine Tasse Kaffee. Das Alles für günstige 27 Quetzal. Aus ökonomischen Gründen sollte ich noch eine ganze Weile im Hotel Central bleiben, aber morgen fahr ich weiter in die Kaffeezone nach Cobán.

10.01. – 12.01.2011 Huehuetenango, in einem anderen Land

4 Kommentare zu „10.01. – 12.01.2011 Huehuetenango, in einem anderen Land

  • 2011-01-21 um 12:33 Uhr
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    da hilft nur eine Kamera mit Winkel-Spiegelobjektiv Gruss Uwe

  • 2011-01-20 um 03:09 Uhr
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    Salve tam,

    das betrifft nicht die Guatemalteken gesamt, sondern den indogenen Bevölkerungsanteil. Warum die sich nicht gern fotographieren lassen ? Keine Ahnung. Aber wenn sie es merken drehen sie sich weg, rennen weg, oder wenn sie merken das ich mit dem Tele auf sie warte, bleiben se einfach stehen und warten bis ich mich verzieh. Ist schwierig mit ihnen. Dabei haben sie so schöne Trachten, markante Gesichter oder sind einfach hübsche Frauen.
    Aber diese Fotoabneigung gilt für alle Indigenas Lateinamerikas, oder in den Touristenregionen wollen sie cash …

  • 2011-01-18 um 12:58 Uhr
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    Sie lassen sich demnach nicht besonders gerne fotografieren, die Guatemalteken. Gibt’s da einen besonderen Grund?

  • 2011-01-17 um 11:11 Uhr
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    Ich beneide dich so sehr für diese Tour. DIe Bilder sehen schon wieder spannend aus und ganz ehrlich eigentlich hatte ich gerade an den Grenzen erwartet oder zumindest gehofft ;9 dass du dich da mit den Beamten rumärgern musst oder irgendwas nicht ganz einfach ist. Aber so wie du berichtest läuft da ja alles perfekter als perfekt. Trotzdem viel Spaß weiterhin und schön artig hier berichten.

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