06.04.2010 Dienstag
Um vom Parque Natural Barranca del Cobre zum Golfo de California zu kommen gibt es praktisch nur zwei Möglichkeiten. Entweder das Motorrad auf den Zug verladen oder einen Riesenumweg auf der MEX 16 um den Nationalpark herum. Der Zug ist für mexicanische Verhältnisse schweinisch teuer, auf Teer sind es dafür über 500 Kilometer.
Es soll von Bahuichivo aus auch eine 140 Kilometer lange Dirtyroadpassage nach Alamos geben, d.h. dann verkürzt sich die Gesamtstrecke auf etwas über 200 km, aber ich hab drei verschiedene Angaben wo die lang gehen soll (Straßenkarte, LonelyPlanet und Skizze eines Tourveranstalters aus Creel) und in Anbetracht meines Schwächelns auf der Fahrt nach Urique entscheid ich mich für die MEX 16. Unterwegs will ich mich dann Entscheiden ob ich nach Hermosillo durchfahr, oder auf die MEX 12 nach Ciudad Obregon. Von beiden Städten aus ist es etwa gleich weit nach Guayamas, meinem eigentlichen Ziel. Von dort will ich mit der Fähre zur Baja California übersetzen, mir damit den Landweg entlang der US-Grenze ersparen und gleichwohl noch etwas von der (südlichen) Baja mitbekommen.
Auf der Baja braucht man kein „PERMISIO DE IMPORTACION TEMPORAL DE VEHICULOS“, das will ich bei der Banjercito in Pichilingue (Fährhafen von La Paz) canceln lassen, damit ich dann das Motorrad bs zum Herbst auf der Baja stehen lassen kann. Ja, so langsam muß ich an die Heimreise denken, denn nach Plan hab ich nur noch sechs Wochen.
Nach Straßenkarte liegen wieder hunderte Kilometer kurvige Einsamkeit vor mir, denn alle eingezeichneten Orte haben weniger als 5000 Einwohner. Mit Tankstellen wird es auch nicht so rosig aussehen, deshalb tank ich in San Juanito nochmal voll bevor ich mich so gegen halbzehn auf den Weg mach. Der Himmel ist leicht bewölkt, auch gut, so wird es zunächst nicht so heiß. Wenn ich aus den Bergen rauskomm wird das eh sicher anders.
Ich bin so ca. 170 schön beschwingte Kilometer gefahren, da kommt mit Cahuisori die erste Ortschaft in Sicht die mehr als nur eine Handvoll Häuser hat. Da sie so schön im Tal eingebettet liegt, halt ich zum ersten Photostop an.
Es geht in weiten Kurven zum Ort runter, ich roll gemütlich mit ca. 60 km/h die Straße runter und bin am überlegen ob ein anderer Aussichtspunkt für ein weiteres Photo geeignet ist. Vor einer Rechtskurve will ich daher noch etwas langsamer machen, greif zur Bremse und eh ich weiß was Sache ist befinde ich mich in der stabilen Seitenlage. In trauter Zweisamkeit schlittere ich mit dem Mopped gemeinsam über die Strasse. Kurz vor dem Kurvenscheitelpunkt werden wir durch den Straßengraben in unserem Vorwärtsdrang gestoppt.
Nur in zwei Dingen unterscheidet sich unsere Schlitterpartie. Das Mopped liegt auf der linken Seite in der Seitenlage, ich lieg rechts und bin etwas schneller. Der Strassengraben ist aus großen, L-förmigen Betonfertigteilen, sehr steil und tief. Das Mopped liegt mit den Rädern am Straßenrand, lehnt sich ansonsten gegen die kurze Seite des L, ich lieg mit dem Kopf bergab vor dem Mopped, meine Beine aber liegen unter Tank und Telegabel. Ich bekomm sie nicht unter dem Mopped vor und hab auch keine Chance das Mopped etwas anzuheben. Es gelingt mir lediglich die Zündung aus zu schalten, ansonst lieg ich hilfos wie ein Maikäfer auf dem Rücken.
Nach endlos erscheinenden Minuten kommt ein LKW die Strasse runter. Ich richte mich soweit ich kann auf und winke wie ein Verrückter. Auf meiner Höhe wird der Lastwagen langsamer, der Fahrer schaut durch die Seitenscheibe auf mich runter, gibt Gas und fährt weiter. ARSCHLOCH!
Es dauert nicht lange, dann kommt ein PickUp von oben, der Fahrer sieht die Bescherung, hält an, springt raus und hebt das Mopped soweit an das ich meine Füße drunter vorziehen kann. Wahrscheinlich dank der stabilen Endurostiefel haben meine Beine nichts abbekommen und ich bin auch ansonsten völlig unversehrt, so dass ich gemeinsam mit meinem Helfer sofort versuch die KLR wieder auf die Räder zu stellen. Doch no Chance, das Teil ist so „kopfüber“ einfach zu schwer.
Während wir uns noch abmühen, kommt von unten ein PickUp, drei Männer springen raus, zwei eilen uns beim Mopped zu Hilfe, während der Dritte das aus der aufgesprungenen Alukiste rausgefallene Gerödel (u.a. auch mein Netbook) von der Straße und aus dem Straßengraben aufliest.
Zu Viert gelingt es uns die KLR wieder auf die Räder zu stellen und an eine Stelle abseits der Straße zu bugsieren. Dort kann ich dann erstmal eine erste Schadensbilanz machen. Alle Schäden sind ausschließlich auf der linken Seite:
- Lenkerende hat sich zu einem M-Lenkerstummel verbogen
- Rückspiegel abgebrochen
- Kühlerverkleidung leicht deformiert
- Deckel der Alupacktasche an Schweißnaht gerissen
- Deckel am hinteren Rand in der Mitte eingeknickt
- Packtasche rautenförmig verzogen
- unterer Haltewinkel der Packtasche abgerissen (5 Nieten !)
- Rückwand der Packtasche verbeult
- obere Haltelaschen rechtwinklig abgeknickt
- Packtaschenhalterung insgesamt etwas nach rechts verschoben
Alles in allem recht harmlos. Das Mopped ist noch fahrbereit, die Packtasche bieg ich soweit zurecht das ich den Deckel wieder drauf krieg und unten wird sie mit einem Spanngurt gegen die Halterung gepreßt.
Mir selbst ist überhaupt nichts passiert, der Helm hat keinen Kratzer (ist manchmal ganz nützlich in jeder Situation den Kopf oben zu behalten), lediglich an der Seitentasche der Textilhose ist die Lasche etwas aufgerubbelt und die Druckknöpfe sind angeschliffen. War ja auch so als ob ich über Eis geschlittert wäre, denn die Fahrt ist während der Rutschpartie kaum langsamer geworden.
Meine Helfer erkundigen sich besorgt ob mir wirklich nichts passiert ist und ob sie mir sonst noch irgendwie helfen könnten. Als ich verneine schwingen sie sich erleichtert in ihre Autos und fahren weiter. Ich versuch dann das ganze Dilemma und die Sturzstelle im Bild fest zu halten, aber die Digikam verweigert ihren Dienst. Ich kann machen was ich will, das Objektiv fährt einfach nicht aus und auch sonst gibt sie kein Lebenszeichen von sich. Mist. Sollte sie es mir übel genommen hab das ich während der Rutschpartie auf ihr lag?
Während ich noch mit der Kamera beschäftigt bin, kommt ein älterer einheimischer Moppedfahrer den Berg hoch, sieht die Bescherung, murmelt etwas von Policia und bevor ich ihn aufhalten kann ist er schon weg. Es dauert dann auch tatsächlich nicht lange und zwei Polizisten tauchen auf. Sie vergewissern sich das mir nichts fehlt und das niemand sonst beteiligt war. Als das klar ist, ermahnen sie mich langsamer zu fahren – noch langsamer? dann fall ich ja im Stand um – und ziehen ab. Sichtlich erleichtert das sie sich mit dem Fall nicht weiter beschäftigen müssen. Ich teste noch ob das Netbook noch funktioniert – es bootet -, dann pack ich alles zusammen und mach mich in etwas ungewohnter Haltung wieder auf den Weg. Die ersten Kilometer sind etwas gewöhnungsbedürftig, auch das Vertrauen in die Haftung des Vorderreifens ist nicht besonders groß.
Ich bin gedanklich noch so damit beschäftigt wie das passieren konnte – ich war nicht schnell; noch vor der Kurve; kein Öl, Diesel, Sand oder Kies auf der Straße, trotzdem war Bremse antippen und Vorderrad weg eins -, das ich das Tanken in Cahuisori glatt vergesse. Die nächste Tankstelle mitten in der Pampa nach ca. 50 Kilometern ist geschlossen. Ich hab noch eine Restreichweite von ca. 100 bis max. 150 km. Na, hoffentlich kommt da noch eine in der Einsamkeit.
Doch zuerst muss ich selber Tanken. Mach deshalb eine Pause und füll bei mir Wasser und Kalorien ein. Während dieser Pause beschäftige ich mich nochmal mit der Kamera, doch die will nicht. Da hilft vielleicht nur noch ein Totalreset. Also Batterie raus, eine Weile warten und Batterie wieder rein. Test. Es geschieht ein kleines Wunder. Auf Knopfdruck fährt das Objektiv aus und das Display zeigt auch wieder was. Deshalb schnell die lädierte Kawa abgelichtet.
Nach der Pause ist der Schwuchtelmode ziemlich schnell zu Ende, denn erstens hab ich heute noch einige Kilometer vor mir und zweitens, wer kann einer kurvigen Versuchung auf Dauer widerstehen?
Die Fahrt macht einfach nur Spaß, allerdings sollte wirklich bald mal eine Tankstelle kommen, denn ich mußte schon auf Reserve umschalten. Bei der Abzweigung nach Santa Rosa wird mein Wunsch dann erhört. Mitten im Nichts eine Tankstelle und ein Restaurant. Aber bald auch mal ein Hotel wäre auch nicht schlecht. Ich bin jetzt knapp 350 km gefahren – beim Tanken gehen etwas über 20 Liter in den Tank – und für die heutige Kurvenstrecke reicht das eigentlich.
An der Kreuzung MEX 16 MEX 12 ist eine Militärkontrolle. Der Soldat möchte in meine lädierte Packtasche schauen, doch ich ignoriere seine Wunsch und frag ihn stattdessen nach dem nächsten Hotel. Die MEX 16 lang oder die MEX 12? Er ist dadurch total verwirrt und völlig überfordert, klopft ständig auf den Alukoffer und ich wiederhol dauernd meine Frage. Irgendwann bemerkt das ein Offizier, kommt her und will wissen was los ist. Darauf geh ich garnicht ein, sondern bombadier ihn sofort mit meiner Frage. Auch er ist völlig überfordert. Ich hab mich inzwischen für die MEX 12 entschieden, geb Gas und laß die Zwei völlig verdutzt zurück.
Nach einiger Zeit frag ich mich ob meine Entscheidung richtig war. Es wird zwar immer wärmer und grüner als noch auf der MEX 16, aber ich hab den Eindruck auch noch einsamer falls das überhaupt möglich ist.
Die auf der Karte angegebenen Orte bestehen jeweils nur aus ein paar versprengten Häusern im Grün, die man garnicht bemerken würde, wenn einen die völlig überflüssigen Topes nicht zur Reduzierung der Geschwindigkeit nötigen würden.
Nach 150 Kilometern taucht mit Rosario die erste Ortschaft auf die als solche zu erkennen ist. Ist sogar recht ansehnlich. Hat ein Stadtzentrum mit Kirche, schöner Plaza mit Geschäften und Restaurants ringsum. Ein Hotel find ich auch, das Zimmer sogar recht ansprechend, doch die Dame des Hauses verwechselt mich wohl mit einem reichen Ami und will kräftig zulangen. 400 Peso wirft sie in den Raum. Ich schüttel den Kopf. 350 Peso ist ihr nächstes Angebot. Ich schüttel immer noch den Kopf, aber sie will keine weitere 50 Peso nachlassen, denn dann würd ich in mich gehen. Aber so schwing ich mich wieder auf die KLR und fahr halt noch die 70 km bis Esperanza. Ein Ort mit bis zu 15000 Einwohnern sollte doch eine Auswahl zulassen.
Denkste ! Esperanza liegt neben der MEX 15, hat zwei ewig lange geteerte Hauptstrassen die als Einbahnstrassen von der MEX 15 abgehen bzw. in sie münden. Diese Hauptstrassen bedienen ein Netz ungeteerter Nebenstrassen. Natürlich ist die Stadt quadratisch, praktisch, gut angelegt, aber Hotel find ich nicht eines. Jetzt bleibt nur noch die Fahrt nach Cuidad Obregon übrig. Elf Kilometer schaff ich jetzt auch noch. Kurz hinter Esperanza komm ich an einem RV-Park vorbei wo auch Zimmer vermietet werden, ich fahr kurz rein, Restaurant gibt es keines, aber ich könnte auch mein Zelt aufstellen. Die Nacht ist gerettet, aber Einkaufen muß ich auf jeden Fall noch. Deshalb doch weiter nach Cuidad Obregon, dort ein Einkaufscenter finden und dann wieder zurück.
Unterwegs komm ich noch an einem Automotel vorbei das die Habitation für 200 Peso anbietet. Also noch eine Option, obwohl die das sicher pro Person meinen, denn in ein Automotel geht man ja in der Regel zu zweit.
Ein Soriana-Einkaufscenter find ich in Obregon wundersamerweise auf Anhieb, mach meine Einkäufe und bin grad dabei die in Rucksack und Tankrucksack zu verstauen, als ich von einer etwa gleichaltrigen Amerikanerin angesprochen werde, die sich als Ann vorstellt. Sie und ihr Mann sind in einem Motorradclub, deshalb interessiert sie sich für woher und wohin. Ich erzähl ihr das jetzt ein Hotel suche und morgen eine Werkstatt die mir wieder meinen Lenker richtet. Hotel sei kein Problem – ich suche doch sicher ein preiswertes; woran erkennt sie nur den Geistesschwaben? -, ein Freund aus dem Motorradclub hätte eines und mit der Werkstatt könne mir ihr Mann sicher helfen. Er schwirrt auch irgendwo hier rum, sie ruft ihn an, doch er meldet sich nicht. Sie geht ihn suchen, aber ich geb ihr nicht mehr als eine Viertelstunde, denn es ist schon kurz vor halbacht und bald wird es dunkel.
Es dauert keine zehn Minuten, da hält ein Auto mit mexicanischer Nummer neben mir, Ann am Steuer. Ob das ein Mietwagen ist frag ich. Nein, sie ist seit 35 Jahren mit einem Mexicaner verheiratet und sie wohnen hier erklärt sie. Sie hat ihren Mann nicht gefunden, ihm aber eine SMS geschrieben und er wird dann zum Hotel nachkommen. Ich soll einfach hinter ihr herfahren.
Ein paar Blocks geradeaus, dann links und ein paar Blocks später sind wir beim Hotel Taurus. Ihr Freund ist nicht da, aber die Dame am Empfang verspricht ihn über mich in Kenntnis zu setzen. Das Hotel hat einen eigenen, Nachts abgeschlossenen Parkplatz, WLAN, sehr große LED-Fernseher in den gepflegten Zimmern und kostet pro Nacht 250 Peso. Da kann selbst ich nicht meckern.
Nach kurzer Zeit fährt Jorge, Ann’s Mann, auf einer Japan-Harley (irgend ein Teil von Yamaha) vor, beguckt sich den Schaden, meint das wird die Werkstatt schon hinbekommen und auch ein neuer Vorderreifen – die breiten, äußeren Stollen sind auf der einen Seite schon bei Profiltiefe Null – wird aufzutreiben sein. Inzwischen ist Jorge II (der Hotelbesitzer, im folgenden Hotel-Jorge genannt) mit seiner BMW RT auch eingetroffen, schaut sich ebenfalls den Lenker an und meint ich solle in die USA fahren und mir dort einen Originallenker kaufen. Sei am einfachsten und sind ja nur ca. 500 km.
Jorge will mich morgen Früh um 8:30 Uhr abholen, aber das ist mir zu früh, wir einigen uns auf 9 Uhr, dann rauschen die beiden Jorges davon und auch Ann verabschiedet sich. Ich bin heilfroh das sich so alles regelt. Mit Ann hat mich wirklich ein rettender Engel getroffen.
07.04.2010 Mittwoch
Gegen dreiviertelneun sitz ich in der Lobby und blätter in einer der ausliegenden Motorradzeitschriften. Da kommt Hotel-Jorge und frägt ob ich auf Jorge warte. Ja, da bist Du eine Stunde zu früh. Ich schau ganz verduzt auf meine Uhr und die Uhr an der Wand. Sind tatsächlich zwei verschiedene Zeiten. Hotel-Jorge klärt mich auf, Sonora hat keine Sommerzeit ….
Es ist nicht das erste Mal das mich in Mexico die verschiedenen Zeitzonen und Sommerzeit ja/nein etwas durcheinander bringen. Wenn ich das gestern schon geschnallt hätte, dann hätte ich auch Jorges
Vorschlag folgen können. Aber so ist auch gut. Hab ich doch jetzt noch Gelegenheit den kleinen Montezuma der im Gedärm zwickt los zu werden und dann ist hoffentlich für den Rest des Tages ruh.
Pünktlich um 9 Uhr fährt Jorge mit seinem ganzen Stolz – einer Zweizylinder BMW F600 GS – vor und zeigt mir dann auf dem Weg zur Werkstatt das das Teil ein bißchen besser abgeht als meine Kawa. Wir halten dann nicht vor der Yamahavertretung, sondern gegenüber, wo etliche Quads und ATV’s auf der Straße und dem Bürgersteig stehen. In einem kleinen Hof steht ein zerlegtes Quad, eine Mimikryharley ist aufgebockt und an einer DR400 wird grad geschraubt. Hier ist die Werkstatt von seinem Freund Pedro, der neben Quads auch noch Motorräder macht erklärt mir Jorge und verschwindet in der kleinen Werkstatt neben dem Hof. Kurz darauf taucht er mit Pedro im Schlepptau wieder auf.
Pedro schaut sich den Lenker an und meint da sei mit Richten nichts zu machen. Das Rohr ist zu abgeknickt und auch erwärmen nütze da nichts mehr. Er geht nachschauen was er an passenden Lenkern da hat und kommt mit einem Renthal-Alulenker wieder zurück. Doch der ist zu flach und zu breit, zudem mit einem Preis von fast 100 Dollar viel zu teuer. Auch sein Lager an gebrauchten Lenkern gibt keinen passenden her. Zu dritt maschieren wir daher über die Straße zum Yamahahändler. Doch der hat auch keinen brauchbaren Lenker, aber zwei 21-Zoll Reifen. Einen Pirelli MT 21 und einen von einem uns allen unbekannten brasilianischen Hersteller. Das Profil dieses Reifens sieht änlich aus wie das meines Hinterreifens.
Da ich auf der Baja etwas mehr unbefestigte Straßen fahren will, entscheide ich gegen den Schwaben in mir und nehm den MT 21 (680 versus 1050 Peso). Wir wir später sehen ist der MT 21 auch aus brasilianischer Fertigung und daher wohl aus der gleichen Bäckerei wie der andere Reifen. Während Pedro und sein Helfer Enrique sich über mein Vorderrad hermachen, fährt Jorge zum Hondahändler um dort nach einem neuen Lenker zu schauen.
Das Vorderrad ist grad wieder eingebaut, da kommt Jorge mit der Nachricht „der Hondahändler hat einen passenden Lenker und der kostet 250 Peso“ zurück. Ob ich den haben will. Aber klar doch. Für 250 Peso wär der sogar ein sensationelles Sonderangebot. Also wird an meinem verbogenen Stück nochmal genau Maß genommen und Jorge rauscht wieder ab. Als er mit dem neuen Lenker wiederkommt wird verglichen. Der Neue ist etwas niedriger, dafür breiter und die Querstrebe ist etwas weiter unten angesetzt. Sollte aber passen.
Jorge verabschiedet sich dann von uns, da er heute auch noch etwas arbeiten muß. Ich bedank mich bei ihm und bitte ihn heute Abend auf ein Bier im Hotel vorbei zu kommen. Wenn er Zeit hat, ist seine Antwort.
Ein weiterer Helfer von Pedro baut den Lenker von der Kawa ab, während ich damit beschäftigt bin die Packtaschenträger wieder in Form zu bringen. Pedro und Enrique stürzen sich wieder auf die Suzuki und als diese fertig ist bauen sie die Räder des Harleyverschnitts aus. Diese werden dann auf einen PickUp verstaut und Enrique zieht damit ab.
Inzwischen könnte der neue Lenker montiert werden, doch in die Lenkerenden des neuen Lenkers müssen noch Gewinde geschnitten werden, damit die Handprotektoren wieder befestigt werden können. Ich muß warten bis Pedro Zeit dafür hat. Der entschuldigt sich, das zuerst die Terminarbeiten seiner Kunden Vorrang haben. Verständlich. Also verbring ich die Wartezeit damit Anderen bei der Arbeit zu zu sehen – seit jeher eh schon eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
Es dauert eine ganze Weile bis Pedro sich dem Lenker zuwendet, doch kaum hat er mit dem Bohren begonnen, da herrscht bei dem Akkuschrauber auch schon Energiemangel. Während der Akku geladen wird gibt es Nichts zu tun und so haben wir ausgiebig Zeit uns miteinander zu unterhalten.
Pedro ist eigentlich gelernter Agraringenieur, Spezialgebiet Argrarmarketing. Aber da sich dafür niemand sonderlich interessierte, hat er vor zehn Jahren sein Hobby zum Beruf gemacht und schraubt seither an allem was einen Motor hat.
Er ist stolz darauf bei einem – wie er sagt – echten Handwerker und Könner seines Faches seine ersten Sporen verdient zu haben und hat auch die einzige Werkstatt mit Klimaanlage, da er es nicht leiden kann wenn bei der Arbeit der Schweiß auf alles tropft. Von Arbeitssystematik, Genauigkeit, Ordnung und Sauberkeit könnte Pedro glatt Deutscher sein. Jedes verwendete Werkzeug wird nach Gebrauch sofort wieder an seinen Platz gelegt/gehängt, Schraubstock und Lenker werden penibel von den Bohrspänen gereinigt und auch ein Griff ins Regal reicht – obwohl es dort nach Unordnung aussieht – um das gerade benötigte hervor zu zaubern.
Allerdings, in einem Punkt aber ist Pedro echter Mexicaner. Zeit ist ohne herausragende Bedeutung und daher geht alles SEHR langsam. Vor allem auch, da immer wieder Kunden kommen mit denen längere Gespräche geführt werden müssen. Das erste Loch ist gebohrt und Pedro hat gerade damit angefangen das Gewinde zu schneiden, da kommt Enrique mit den Rädern der Yamaha und deren Eigner zurück. Es sind jetzt gebrauchte Weißwandreifen montiert. Die Arbeit am Lenker wird eingestellt und die Räder der Yamaha werden montiert. Während Enrique die Yamaha von den Abdrücken der schmutzigen Mechanikerhände befreit, unterhalten sich Pedro und deren Eigner. Erst als die Yamaha wieder wie neu glänzt wechselt Geld den Besitzer, der Yammifahrer schwingt sich auf seinen Bock, läßt den Motor röhren – das Teil klingt wirklich gut – und legt einen Blitzstart hin. Dabei gerät er aber derart ins Schlingern, das wir befürchten er knallt in die auf der anderen Straßenseite geparkten Autos. Als er die Mühle endlich abgefangen hat, reißt er sofort den Hahn voll auf und braucht prompt wieder die gesamte Straßenbreite um das wild schlingernde Motorrad unter Kontrolle zu bringen. Er fährt um den Block und stellt das Motorrad dann kreidebleich vor der Werkstatt ab.
Pedro macht dann eine Probefahrt damit – bevor er losfährt macht er aber erstmal einen kleinen Burnout -, und gibt danach Enrique den Auftrag die Reifen gründlich zu waschen. Das Motorrad wird aufgebockt und Enrique fällt mit Wasser und Bürste über die Reifen her. Pedro führt inzwischen ein klärendes Gespräch mit dem Besitzer. Damit die Reifen für den Verkauf gut aussehen und schön glänzen hat der Vobesitzer sie wohl mit einem Mittel wie AmorAll behandelt. Das setzt aber wohl den Grip für Motorradreifen etwas arg weit herab.
Nach der Reifenwäsche macht Pedro nochmal eine Probefahrt, kommt zufrieden zurück und übergibt die Maschine dem Besitzer. Der schwingt sich drauf und legt sofort einen Blitzstart hin. Wir schütteln nur die Köpfe. Offensichtlich gibt es einen der noch lernresistenter ist als ich.
Inzwischen ist es nach 16 Uhr und damit so ganz allmählich Zeit für das Mittagessen. Pedro bestellt beim Pizzaservice eine Pizza und schickt Enrique fort um Cola zu kaufen. Bis nach dem Essen, d.h. so gegen 17 Uhr, ruhen alle weiteren Arbeiten. Enrique räumt danach draußen auf, kettet alle auf der Straße stehenden Quads aneinander, während Pedro weiter mit dem Lenker zu Gange ist. Als sich Enrique verabschieden will, ist Pedro mit dem Lenker grad fertig und stellt fest das eine der Befestigungsschrauben der Protektoren verbogen ist. Die könnte man zwar nochmal verwenden, aber nicht Pedro. Enrique muß beim Eisenwarenhändler zuerst Neue besorgen bevor er sich aus dem Staub machen darf.
Inzwischen montieren wir wieder alles, aber die Handprotektoren passen nicht so recht an den Lenker. Die etwas weiter unten angesetzte Querstrebe ist im Weg. Bis alles zurechtgebogen, ausgefeilt, montiert und eingestellt ist wird es nach 19 Uhr. Ich lass mir von Pedro nochmal den Weg zum Hotel erklären, verabschiede mich von ihm und mach mich auf den Weg.
Im Hotel sitzt Hotel-Jorge an der Rezeption. Ich erkundige mich bei ihm ob Jorge da war, war er nicht, dann wo ich das bitter nötige FeierabendVerdientBier kaufen kann, denn wenn man nicht einen kompletten Sixpack haben möchte ist das garnicht so einfach. Grad beim Block um’s Eck, über die Straße und dann 50 Meter. Diesen Spaziergang sollte ich nach dem anstrengenden Tag grad noch schaffen. Werf mich in mein Freizeit-Tenue und geh Bier holen.
Als ich zurück komme bleib ich bei Hotel-Jose an der Rezeption hängen. Er bestellt gerade per Mail bei seinen amerikanischen Freund Luftfilter und sonstige Verschleißteile, ich biete ihm ein Bier an und der Männerabend beginnt.
Hotel-Jose erzählt das er aus einer Familie mit 15 (!!) Kindern stammt, seine Mutter sehr viel Wert auf Schule und gute Ausbildung gelegt hat. Er hat deshalb Tiermedizin studiert, allerdings nur aus Spaß an der Freude und nie praktiziert. Er habe immer schon „geschäftet“. Als Schulbub habe er von seiner Mutter 5 Peso geliehen, davon ein Päckchen Kaugummi gekauft und diese dann einzeln an seine Klassenkameraden verscherbelt. Nach einer Woche konnte er die 5 Peso seiner Mutter zurück zahlen und habe seit dieser Zeit nie wieder Geld von seinen Eltern gebraucht. Heute gehört im das 16-Zimmerhotel Taurus und ein zweites in Obregon (Hotel Rio Chico) hat er gepachtet.
Momentan steht er mit dem Eigentümer in Verhandlungen über das leerstehende Erdgeschoß. Darin möchte er Parkplätze unterbringen, da das Hotel keine eigenen hat. Falls das nicht klappt will er sich ein Anderes pachten oder kaufen.
Seinen Ausführungen entnehm ich, dass er tatsächlich durch und durch ein Geschäftsmann ist. Ganz untypisch mexikanisch. Er denkt nicht wieviel kann ich den Gästen aus der Tasche ziehen, sondern was muß ich den Gästen bieten damit sie wiederkommen und ich mich langfristig gegen die Konkurrenz durchsetzten kann. Deshalb hat er auch erst kürzlich das Taurus mit diesen riesigen LED-Fernsehern bestückt.
Dann kommen wir über das Thema Motorradfahren zum Thema Motorradreisen. Er erzählt, das er gerne eine Motorradtour durch Europa machen würde, seine Hotels aber kaum länger als 30 Tage allein lassen kann, da ihm eine zuverlässige, wirklich vertrauenswürdige Stellvertretung fehlt. Er hat letztes Jahr eine USA/Kanadareise mit seiner Goldwing gemacht und bei seiner Rückkehr die entsprechende Erfahrung machen müssen.
Dann zeigt er mir die Bilder seiner Reise, danach dann seine Schätze. Die Goldwing, die BMW RT und seinen besonderen Stolz, einen BMW M3. Dafür gibt es zwar in ganz Mexico überhaupt keine Ersatzteile – das war auch der Grund weshalb er ihn günstig erwerben konnte, denn der Motor des elektrischen Fensterhebers auf der Beifahrerseite war durchgebrannt – aber das war ihm egal und er weis sich ja zu helfen. Er hat einen Bauähnlichen von VW einbauen lassen …..
Während unseres Männerabends – mein Bier ist bald alle und er spendiert aus seinem Vorrat – kommen ständig neue Gäste. Um 23 Uhr ist das Hotel komplett ausgebucht und Hotel-Jorge deshalb natürlich hoch zufrieden.
Es geht schon auf 2 Uhr zu als ich mich auf mein Zimmer schleiche und Hotel-Jorge seinen Dienst als Nachtportier alleine machen lasse.
08.04.2010 Donnerstag
Bis ich mich heute bequeme aus dem Bett zu klettern ist es schon fast Mittag. Nicht das ich solang geschlafen hätte, aber sich faul von einer Seite auf die Andere rollen und sich dann im LonleyPlanet über das Zielgebiet etwas schlauer machen braucht halt seine Zeit.
Heute hab ich auch nichts großartiges vor. Lediglich die Alupacktasche will ich wieder richten, die Halterungen gerade klopfen bzw. wieder befestigen und dann den obligatorischen Stadtbummel machen, obwohl Obregon voraussichtlich nicht viel zu bieten hat.
In der Mittagshitze will ich aber nicht auf dem Alu rumdengeln, also geh ich erstmal zum nächsten Oxo und gönn mir meinen Morgenkaffee. Dann wieder zurück auf mein Zimmer, mach die Packtasche leer und vertrödel danach die Zeit – schön wenn man WLAN im Zimmer hat – bis ca. 15 Uhr.
Als der Parkplatzwächter, gleichzeitig Subunternehmer als Autopfleger, sieht was ich vor hab, bringt er mir ein Brett zum unterlegen. Prima, da knallt es nicht so wie auf dem Betonboden und ich kann die Kante auch aus Ausbeulwerkzeug nutzen. Das Alu bekomme ich auch wieder recht gut hin – beim Ausbeulen des Knicks im Deckel leistet ein Montiereisen gute Dienste -, scheitere aber an den oberen Halterungen. Um die wieder hin zu bekommen brauch ich einen Schraubstock. Werd also morgen nochmal zu Pedro müssen.
Die untere Halterung wird an der Brettkante geradegeklopft, die abgerissenen Nieten mit Hilfe eines Dorns aus der Werkzeugsammlung rausgeschlagen und dann mit drei Schrauben – mehr gibt mein Schraubensortiment in passender Größe nicht her – und selbstsichernden Muttern befestigt. Im Zuge dieser Reparatur- und Schraubaktion, check bei der Gelegenheit gleich alles auf festen Sitz und verlorene Schrauben durch, kommt auch meine Werkzeugrolle wieder an ihren angestammten Platz, denn Pedro hat mir gestern dafür zwei neue Haltewinkel gemacht. So ist wieder mehr Platz und deutlich weniger Gewicht in der Packtasche.
Die ganze Aktion hat schließlich doch fast drei Stunden gedauert und bis ich dann im Hotelzimmer die Aufräum- und Duschaktion hinter mir hab fängt es draußen schon an zu dämmern. Der folgende Stadtbummel gibt deshalb auch nur drei Bilder von Obregon her.
Viel mehr wird an Sehenswertem in Obregon auch kaum zu finden sein, denn Obregon ist ein Geschäfts- und Handelszentrum für die umliegende Region. Geschäfte gibt es auch reichlich und das Leben pulst in den Straßen. Ich finde einen Ley-Supermarkt in dem ich mir etwas zum Abendessen einkauf.
Als ich zum Hotel zurück komm ist Hotel-Jorge nicht da, auch von Jorge keine Spur, also verschwinde ich in mein Zimmer, stopf mir was zwischen die Zähne und schlaf dann bei einem amerikanischen Actionfilm auf Großbild-TV ein.
09.04.2010 Freitag
Heute verlasse ich mein Hotelzimmer erheblich früher als gestern und mach mich gleich auf den Weg zum Oxo für den KaffeeInDenTag. An der Rezeption treff ich Hotel-Jorge der gerade im Aufbruch ist. Er will in die USA um bei seinem Freund die bestellten Ersatzteile für seine Goldwing ab zu holen. Er hat es eilig, sagt mir aber noch das ich mein Motorrad bis zum Herbst kostenlos bei ihm abstellen kann. Er hat hinter dem Hotel einen Abstellraum in dem er alles momentan nicht benötigte lagert. Dort hätte meine KLR und das Gepäck auch noch Platz und ständen sicher, denn nur er hat Zugang zu dem Raum. Mit dem Sonara-Only Programm gibt es ja auch keine Schwierigkeiten wegen dem Motorrad.
Ich bin im ersten Moment völlig baff über dieses Angebot. Es ist ja absolute Klasse, denn damit hat sich ein großes Problem praktisch von allein gelöst. Ich nehm das Angebot an und kann mich kaum bei Hotel-Jorge bedanken, denn schon sitzt er in seinem M3 und braust davon.
Nach dem Kaffee bei Oxo mach ich mch im Internet erstmal schlau über das Sonora-Only Programm und erlebe eine herbe Enttäuschung. Es ist praktisch identisch zur „PERMISIO DE IMPORTACION TEMPORAL DE VEHICULOS“, erlaubt die Fahrzeugeinfuhr aber nur nach Sonora, ist drei Dollar billiger als das PERMISIO und ebenso wie dieses an die Gültigkeit des Touristenvisa gebunden. Nützt mir also Nichts.
Dann gibt es in Sonora noch die „Free Zone“, in dieser ist – ebenso wie auf der gesamten Baja California – keinerlei Einfuhrerlaubnis für Fahrzeuge notwendig. Die östliche Grenze der „Free Zone“ bildet der Highway 15 (MEX 15), im Norden beginnt sie 15 km nach der US-Grenze – der gesamte nördliche und südliche Grenzstreifen ist „Free Zone“ – und reicht im Süden bis kurz hinter Guayamas. Obregon liegt knapp 100 km weiter südlich …..
Meine Enttäuschung ist riesig. Schien doch das Problem des Verbleibs der KLR geradezu sensationell gut gelöst, die restlichen Wochen daher wieder reine Reisezeit zu werden, doch ich kann das Angebot von Hotel-Jorge nicht annehmen. So ein Mist !!! Wegen lächerlicher 100 km. Warum konnten die nicht ganz Sonora zur Free Zone erklären?
Ich brauch eine Weile bis ich mich wieder den Notwendigkeiten des Tages zuwenden kann und mich auf die KLR setz um zu Pedro zu fahren. Bei Pedro ist alles abgeschlossen. Es ist 15 Uhr, er wird wohl Siesta machen. Mach ich halt eine Sightseeingtour durch Obregon und komm später wieder.
Die Sightseeingtour liefert das Ergebnis das ich schon gestern vermutet habe. Geschäfte, Gewerbe, breite Straßen, große Blocks. Wer hier bei der Hitze – es hat 36 Grad – mehrere Blocks zu Fuß bewältigen muß läuft sich den Wolf.
Nach etwas mehr als einer Stunde „Nixseeing“ lauf ich wieder bei Pedro ein. Enrique holt sofort seinen Chef, der kommt zur Begrüßung, sagt mir aber gleich das er momentan keine Zeit hat, da jemand da ist der ihm bei der Einrichtung von Computer und Internet hilft. Für mich kein Problem, denn ich brauch ja nicht Pedro, sondern nur seinen Schraubstock und einen großen Hammer. Pedro erlaubt mir mich in der Werkstatt breit zu machen. Bei Fragen oder wenn ich Hilfe brauche soll ich mich an Enrique wenden und er verschwindet wieder.
Die Halterungen sind schnell gerichtet und wieder angeschraubt. Draußen auf der Straße ist meine KLR inzwischen zum Blickfang für etliche Jugendliche und weniger jugendliche Zweiradfans geworden, so das ich sofort in Gespräche verwickelt werde als ich die Packtasche wieder befestige.
Da ich nichts vorhab, geh ich auf die Gespräche ein. Irgendwann gesellt sich auch Pedro dazu und so vergeht der Rest des Nachmittags im Flug.
Casi tres años y un compatriota de la Selva Negra visita a Hotel
Tauro y me comenta que vive a 150 km cerca de Tu ciudad.
Un afectuoso saludo Ingolf
Atte: Jorge E. Manjarrez