Heute komm ich nicht so früh los wie ich dachte, denn als ich das Motorrad packe versammeln sich so nach und nach alle „Traveller“ des Hotels um mich. Zuerst kommt der Neuseeländer, dann Gerd und Martin und schließlich noch eine ca. 65 jährige alleinreisende Deutsche. Sie hat ihr Hauptdomizil auf Mallorca, reist aber schon seit Jahren immer wieder in der Welt rum. Jetzt hat sie für drei Monate ihren „Stützpunkt“ am Lago de Atitlán und macht von dort aus Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten Guatemalas. Leider hat sie nur ein Buch dabei, so wird aus dem erhofften Büchertausch wieder nichts.
Es wird nach 10 Uhr bis ich endlich los komme. Bis Salamá ist es eine schöne Berg- und Talfahrt auf gut ausgebauter Straße, lediglich die vielen LKW und Busse sind ständige Hindernisse.
Salama liegt in einem großen, heißen (> 32 Grad) Talkessel durch den die CA 5 recht gradlinig bis nach San Miguel Chicaj führt. Hinter San Miguel Chicaj geht es auf deutlich schlechter werdender Straße in steilen Serpentinen die Sierra de Chuacús hinauf und fast noch steiler wieder hinab nach Rabinal.
Die Ortsdurchfahrt ist gesperrt, winzige „Salida“-Schildchen weisen den Weg zum Ortsausgang. Prompt bin ich dann auch Richtung Cubulco unterwegs, doch dort will ich gar nicht hin. Also umkehren, alle Straßensperren missachtend und rein in die Stadt, denn vielleicht find ich ja wenigstens ein Schild das die Richtung weist.
Doch weit in die Stadt komm ich nicht, denn die Innenstadt ist vollständig mit Marktbuden zugebaut.
Da bietet sich ein kleiner Rundgang doch geradezu an.
Viel los ist in der Affenhitze des frühen Nachmittags nicht.
Die Verkäufer dösen oder schlafen hinter ihren Ständen und lediglich wenn ich vorbei komm, kommt Leben in die Szenerie.
(Motorrad)Touristen scheinen auch hier Seltenheitswert zu besitzen, denn obwohl sie selbst meist nicht fotographiert werden wollen, werd ich mehrfach auf Handys digital festgehalten.
Wieder rauf auf’s Motorrad und eine neue Suchrunde starten, doch ich lande dort wo ich zuerst hergekommen bin. Der nächste Versuch klappt besser, doch die CA 5 ist ab Ortsausgang dann nur noch eine Erdstraße die sich sofort steil die Berge hochwindet.
Die nächsten 60 km bis kurz vor San Juan Sacatepéquez sind Dirtroad in zum Teil wirklich erbärmlichen Zustand und bei der Hitze eine Qual.
Besonders schön ist es, wenn man längere Zeit in der Staubwolke hinter einem anderen Fahrzeug auf eine Überholmöglichkeit warten muß, denn freiwillig lassen einen die Wenigsten vorbei.
In San Pedro Sacatepéquez sollte es eine Abkürzung über Sumpango, El Tejar und Parramos nach Antigua geben, aber irgendwie überseh oder verschlaf ich sie, denn ich lande plötzlich auf der Schnellstraße nach Ciudad de Guatemala.
Wenden geht nicht, und so werd ich mit dem Verkehr in eine Stadt gespült in die ich gar nicht wollte.
Der Verkehr schiebt sich nur langsam Stoßstange an Stoßstange voran und ich hab Mühe mit meiner fahrenden Schrankwand entstehende Lücken schnell genug aus zu nutzen. Trotz Stadtplan im Reiseführer gelingt es mir nicht meinen Standort zu orten, geschweige denn Wegweiser zu finden.
Da es bereits dämmert, geb ich den Versuch auf heute noch nach Antigua zu kommen, sondern mach mich auf die Suche nach einem Hotel.
Kreuz und quer geht es durch die Stadt – ich hab inzwischen längst jede Orientierung verloren -, es wird bereits dunkel, doch wiedermal hab ich Glück. In einer kleinen Seitenstraße einer belebten Geschäftsstraße werd ich fündig. Das Zimmer mit Bad ist zwar mehr als bescheiden, kostet dafür aber die stolze Summe von 50 Quetzal. Für eine Nacht reicht’s, die Dusche (kalt) funktioniert und das Motorrad steht hinter dem Gitter des Hoteleingangs auch sicher.
Nicht weit weg auf der Geschäftstraße ist ein großes Einkaufscenter mit Supermarkt, den unvermeidlichen Restaurantketten und ein paar kleineren Sättigungsstätten. In einer der Letzteren füll ich meinen Magen mit zwei winzigen Stücken paniertem Huhn, Reis, Bohnen (nicht zu Brei vermatscht!) und dem was hier als Salat bezeichnet wird.
Im Supermarkt noch zwei FeierabendVerdientBier und etwas zum Frühstück gekauft, zurück zum Hotel und die Füße hoch. Der nächste Tag kann kommen.
19.01. Beim Rückweg zum Hotel gestern Abend hab ich einen Wegweiser gesehen. Die 4-spurige Geschäftsstraße führt nach San Juan Sacatepéquez, also dahin wo ich hergekommen bin. Also muß ich jetzt in die andere Richtung zum Zentrum. Irgendwann taucht sogar ein entsprechender Wegweiser auf, ebenso einer nach Antigua. Als ich aber im Einbahnstrassengewirr des Zentrums bin, herrscht bei mir wieder Ratlosigkeit. Immerhin hab ich in der Ferne die Kathedrale entdeckt und die wird jetzt gnadenlos angesteuert, damit ich dann wenigstens einen Orientierungspunkt im Stadtplan habe.
An einer Kreuzung , einen Block vor der Plaza, sind mal beide Straßennamen zu lesen (8. Avenida, 8. Calle), ich halte deshalb um diese Koordinaten im Stadtplan zu suchen.
Während ich den Stadtplan studiere, kommt aus dem Geschäft vor dem ich halte ein Mann und frägt auf Englisch ob ich Hilfe brauche. Er erklärt mir wie ich am besten zur 10. Avenida komme, diese runter bis zum Kreisverkehr mit dem Obelisken in der Mitte, dort rechts und der Straße folgen, Wegweiser nach Antigua kämen dann.
Nachdem er mir den Weg beschrieben hat, folgt noch etwas Smalltalk über das woher und wohin in Englisch, bis er mich frägt aus welchem Land ich komme. Als ich Germany sage, sagt er auf Deutsch, dann hätten wir uns einfacher ja gleich auf Deutsch unterhalten können und das Gespräch wird nun etwas länger.
Er stammt zwar aus Kiel, ist aber in seiner Jugend in Freiburg (!) zur Schule gegangen und dort vor dem Abitur vom (Rilke?)Gymnasium geflogen. Darauf hin ist er nach Guatemala und lebt seit 48 Jahren hier. Das Textilgeschäft aus dem er gekommen ist gehört ihm. Er schwärmt von Argentinien und Chile. Sobald er sich zur Ruhe setzt, will er sich in einem der beiden Länder niederlassen und ich müßte unbedingt diese Länder besuchen, dann könnte ich seine Begeisterung verstehen.
Es folgt noch eine längere Unterhaltung über das Leben in Deutschland und Guatemala, seine Ehe – er hat sich vor ein paar Jahren scheiden lassen weil seine Frau nicht reisen und Guatemala nicht verlassen will – und sein jetziges „Kartoffelverhältnis“.
Über eine Stunde unterhalten wir uns und das Gespräch hätte sicher noch länger gedauert wenn er nicht wegen irgend was ins Geschäft gerufen worden wäre.
Da ich schonmal in der Nähe der Plaza bin fahr ich hin und mach dann einen kleinen Stadtbummel.
Ciudad de Guatemala ist nun wirklich keine Perle unter den Hauptstädten der Welt, trotzdem gibt es hin und wieder schöne Gebäude neben all der Häßlichkeit. Für eine Millionenmetrople wirkt das Leben im Zentrum geradezu dörflich verschlafen. Nicht mal ein Straßenkaffee kann ich ausfindig machen und hol mir schlußendlich einen Kaffee im McDoof der im Zentrum natürlich nicht fehlen kann ….
Fazit: Ciudad de Guatemala kann man, muß man aber nicht gesehen haben.
Nachdem ich die 10. Avenida gefunden und in der richtigen Richtung lang fahr, ist es wirklich kein Kunststück mehr die Metropole zielgerichtet zu verlassen. Lediglich die Entfernung zu den einzelnen Orientierungspunkten ist wegen der enormen Ausdehnung der Stadt ungewöhnlich groß und erfordert Geduld um nicht dauernd zu Zweifeln ob man sich nicht doch verfahren hat.
Der Verkehr heute um diese Tageszeit ist zwar stark, aber es gibt keine Staus und so bin ich schon kurz nach 14 Uhr in Antigua, denn erstmal aus Ciudad de Guatemala raus ist es nur noch ein Katzensprung bis Antigua. Dort beginnt dann das immer ätzendste an einem neuen Zielort: die Suche nach einer Bleibe die das Reisebudget nicht über Gebühr strapaziert und ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis haben sollte.
Nun ist Antigua eines DER Reiseziele in Guatemala und dementsprechend gibt es reichlich Hotels.
Die Übernachtungspreise der im Reiseführer aufgeführten Budgethotels liegen zwischen 120 und 180 Quetzal, inkl. Frühstück und WLAN. Für das was ich bisher in Guatemala für ein Hotelzimmer ausgeben mußte ganz schön happig.
Zu Fuß – macht keinen Spaß über das Pflaster zu hoppeln, dauernd rauf und runter vom Mopped und dann doch die Hälfte übersehend – latsch ich in den Motoradklamotten durch die Stadt, doch was preiswerteres find ich nicht und die Budgethotels haben allesamt keine Parkmöglichkeit für’s Motorrad. Die zahlreichen Hotels in der Preisklasse von 250 bis 500 Quetzal allerdings meistens schon.
Schließlich find ich etwas weit weg vom Schuß doch noch ein Hotelzimmer für 150 Quetzal mit Parkmöglichkeit im Hof. Leider ohne Frühstück und WLAN, dafür ist es gegenüber den Budgethotels sehr edel.
Bei der Suche nach einem Hotel hab ich so nebenbei fast eine komplette Stadtbesichtigung gemacht, so daß ich morgen ganz gezielt die Sehenswürdigkeiten anlaufen und den Stadtbummel optimieren kann.
Da nach dem Zimmerbezug im Hotel immer noch reichlich Zeit vom Nachmittag übrig geblieben ist, mach ich mich nochmal auf Richtung Plaza. Offenbar bin ich heute noch nicht genug gelaufen, doch in „Zivilkleidung“ und Sandalen läuft es sich einfach besser als in der Motorradkluft. Dabei durchstreif ich den nordwestlichen Stadteil, der bei meiner Suchen nach einem Hotel von mir noch nicht gründlich unter die Lupe genommen wurde.
Der Streifzug rentiert sich, denn es gibt einiges zu sehen und abzulichten.
Am Abend geh ich dann nochmal Richtung Plaza, doch auch in Antigua ist es wie im restlichen Guatemala, die teuren Restaurants sind jetzt zwar von Touristen besetzt, ansonsten sind die Bürgersteige aber hochgeklappt. „Nachtleben“ findet nur in einzelnen Happy Hour Bars statt. Im Hotelzimmer liegt eine Broschüre in der aufgelistet ist in welcher Bar was, wann, wie lange bis zum Umfallen gesoffen werden kann. Hilft den vielen Sprachschülern hier in Antigua sicher enorm über die Woche(n).
(20.01.) Früh wach zu werden und auf zu stehen hat manchmal auch was Gutes, obwohl es ja eigentlich nicht so meine Leidenschaft ist. Heute kann ich dadurch vom Hoteldach aus bei einigermaßen klarer Sicht die Vulkane auf Platte bannen von denen Antigua umgeben ist.
Diese Tätigkeit am frühen Morgen erschöpft mich derart, das ich mich doch glatt nochmal hinlegen muß. Mit Einschafen wird es zwar nichts mehr, aber sich träge von einer Seite auf die Andere wälzen hat ja auch was.
Um zehn ist damit Schluß und ich mach mich auf die Socken. Ist ja auch reichlich zu tun, denn im Stadtplan hab ich über 30 Kirchen gezählt. Für über 200 Jahre war Antigua Zentrum Lateinamerikas und die Hauptstadt des Königreiches Guatemala. Es scheint, als hätten alle kirchlichen Orden damaliger Zeit miteinander gewetteifert in Antigua die größte Kirche und Convent zu bauen, bis 1773 ein Erdbeben fast alles davon in Trümmer verwandelte.
Meine Tour start ich im Westen der Stadt, mit Kirche und Convento de la Recolección, einer der größten geistigen Stätten jener Zeit.
Meinen Fuß setz ich jedoch nicht rein, ein Schild beim Kassenhäuschen hält mich davon ab. Meiner Ansicht nach ist es generell eine Schweinerei unterschiedliche Eintrittspreise von Einheimischen und Touristen zu verlangen, aber in Anbetracht der Einkommensunterschiede könnte ich hier ja noch ein Auge zudrücken, nicht jedoch bei dieser plakatierten Unverschämtheit.
Touristen aus Zentralamerika die sich eine Reise nach Antigua leisten können, sind kaum ärmer als Touristen der restlichen Welt. Mein Geld gibt es daher nicht. Da an vielen dieser Ruinenstätten so ein Schild hängt, fällt die Innenbesichtigung halt öfter aus.
Als nächstes lenk ich meine Schritte Richtung „real Live“, d.h. zum Markt.
Die neue Kathedrale wurde grad vor die Zerstörte gebaut, so das von deren Fassade nichts mehr zu sehen ist, aber die Ruine ist trotzdem eindrucksvoll.
Da der Eintritt mit 5 Quezal für alle Zwei- und Dreibeiner gleich ist, erfolgt diesmal auch eine Innenbesichtigung.
Ganz schön eindrücklich die großen Trümmerstücke die noch rumliegen, Davon wollt ich keinen auf den Kopf bekommen haben. Es muß 1773 hier ganz schön gerumpelt haben. Erstaunlich das die Katakomben nicht eingestürzt sind. Ebenso erstaunlich das die Kathedrale an dieser Stelle nicht wieder aufgebaut wurde.
Dies mag mit dem Erlaß des spanischen Königs zusammen hängen, der den Wiederaufbau der Klöster verbot. Dies galt wohl auch für die Kathedrale.
Nach der Besichtigung der Kathedrale wird die Stadt von Südosten nach Norden aufgerollt und ich bin baff erstaunt wie viel ich gestern bei meinem Rundgang noch nicht gesehen hab. All das gibt es jetzt hier.
Ich bin mit der ganzen Stadt so ziemlich durch als ich Abends zum Hotel zurück gehe. Dafür bin ich fast 10 Stunden unterwegs gewesen. Eigentlich wollte ich noch einen Tag in Antigua bleiben, aber nach dieser Gewalttour ist das nicht mehr nötig und bevor ich mich in der Stadt langweile, geht’s lieber weiter. Auf der Panamericana nach Quetzaltenango, kurz Xela genannt.
Salve David & tam, sowie Rest der Welt
natürlich denk ich ständig an die armen Deutschen die die ganz Woche arbeiten müssen, sowie an die, die davon verschont sind. Insbesondere dann, wenn ich bei Temperaturen > 38 Grad in den Seilen häng.
JA, ich weis, ich häng mit meinen Berichten wiedermal ziemlich hinterher, aber wer will bei diesen Temperaturen schon arbeiten ?? Selbst das FVB kocht schon in der Dose.
Gruß nach Deutschland, heute aus Leon/Nicuragua.
Ingolf
auch in die südwestlichste Ecke Deutschlands haben es deine Neujahrsglückwünsche erreicht!
@David
Und natürlich auch an die, die arbeiten müssen. Wenigstens haben wir zur Zeit ein paar schöne, vorfrühlingshafte Tage.
Hola senor,
heute kam eine von Dir im Dezember verschickte Neujahrskarte an! Endlich hat sie den weg über den teich heirher geschafft. Aber besser spät als nie! Gracias! Espero que piensas en los pobres alemanes que tienes nada que trabajar toda la semana que viene.
David