Viel Auswahl an Straßen hat man in Nicaragua ja nicht, genauer, gar keine um wieder nach Norden zurück zu kommen. Also kurv ich auf der Panamericana nach Managua. Auf der Höhe von San Juan del Sur spiel ich noch kurz mit dem Gedanken wieder zum Pazifik ab zu biegen und mir doch noch ein paar Tage Strandurlaub am Pazifik zu gönnen, aber so rechte Lust darauf hab ich nicht und so fahre ich weiter.
Einzig das Stück Straße zwischen Jinotepe und Managua ist neu für mich, aber landschaftlich ist es auch nicht sehr berauschend. Lediglich kurz vor Managua bieten braune, wellenförmig ansteigende Hügelketten etwas Abwechslung und eröffnen dann manchmal einen Blick auf das am See liegende Managua. Anhalten zum Photographieren ist an den wenigen Aussichtspunkten selbst mit dem Motorrad nicht möglich, denn bei dem dichten Lastwagenverkehr käme man unweigerlich unter die Räder. Schade, denn der Blick auf die Stadt am See ist wirklich schön.

In Managua lauf ich erstmal den Kawaimporteur MAQUINARIAS H.F. CROSS. S.A. an. Ich hab mich vorher mit Hilfe von Google Maps schlau gemacht und die Calle 15 de Septiembre ist als Parallelstraße der Panamericana selbst für mich leicht zu finden. Die Mitarbeiter beim Ersatzteilverkauf sind hier viel freundlicher als in Costa Rica. Aber sie können mir nicht helfen, ein Ritzel für die KLR gibt es auch hier nicht. Inzwischen ist es 16 Uhr. Soll ich mir hier in Managua ein Hotel suchen? Nein, ich entschließe mich nach Leon zu fahren, denn dort kenne ich ja schon ein gutes, relativ preisgünstiges Hotel und die Stadt gefällt mir ja auch.
Diesmal schaff ich es tatsächlich auf die am Lago de Managua entlangführende Straße zu kommen. Im Gegensatz zur Fahrt in der Gegenrichtung vor ein paar Wochen ist diese Straße bestens geteert, allerdings auch mit reichlich Verkehr gesegnet.
In der Hoffnung nochmal einen Blick auf Managua und den Lago werfen zu können fahr ich auf die in den See hineinragende Halbinsel bis hinter Bosques de Xiloa. Die Teerstraße geht in eine Dirtroad über, doch an einem Aussichtspunkt bin ich bisher noch nicht vorbei gekommen. Also alles wieder zurück und dann endgültig Richtung Leon.

Es ist schon dunkel als ich beim Hotel einlauf. Statt 12 Dollar wie bei meinem ersten Aufenthalt dort, werden jetzt 20 Dollar für das Zimmer verlangt. Alles Protestieren und Verhandeln hilft nicht. Unverschämt, doch in Anbetracht der Tageszeit bleibt mir nichts anderes übrig als diesen Wucher zu akzeptieren. Ich koche vor Wut. Das verkürzt die vorgesehene längere Aufenthaltsdauer auf eine Nacht.

Am nächsten Morgen (26.02.2011) fahr ich erstmal ein paar Kilometer Richtung Chinandega, dann bieg ich rechts ab auf die 38, quer durch die Pampa nach Dos Motes und weiter auf die 1 (Panamericana). Vorbei geht es an den Vulkanen Telica und Santa Clara.

Vulkane Telica und Santa Clara
Flanke des Santa Clara

Der Vulkan Telica soll einen der aktivsten Krater Mittelamerikas besitzen, es kam auch jedesmal wenn ich ihn gesehen hab eine dicke Rauchwolke aus seinem Krater. Aber auch der Santa Clara scheint nicht so ohne zu sein, denn auch aus seinen Bergflanken tritt Dampf und Pflanzen scheinen die nicht zu mögen, obwohl Lava ja als besonders fruchtbar gilt.

Die Gegend durch die ich fahr ist trocken und karg, die Dörfer und Siedlungen wirken noch ärmlicher als das was ich bisher in nicaragua gesehen hab. Busse begegnen mir so gut wie keine. ich fahr wirklich durch eine abgelegene, ärmliche Gegend. Diese Armut und Einsamkeit hat aber für die Natur einen Vorteil, es liegt so gut wie kein Müll in der Gegend rum.
Für kurze Zeit ändert sich das karge Landschaftsbild plötzlich schlagartig. Rechts der Straße ist das satte Grün von riesigen Reisfeldern zu sehen, links wächst weiterhin nur karges Buschwerk. Doch es dauert nicht lange und das Grün verschwindet wieder. Stattdessen sind jetzt vereinzelt kleine Herden dürrer Rinder zu sehen, die sich bevorzugt im Schatten der Bäume versammeln. Mit fast 40 Grad ist es auch wieder gnadenlos heiß.

In der Mittagshitze ist hier nichts los
Sattes Grün rechts der Straße (und Vulkan Momotombo) …
… links weiterhin trocken und karg
Wie in einem Western

Bis Dos Motes geht es in der Ebene fast schnurgerade Geradeaus, dann windet sich die Straße in sanften Kurven über eine Hügelkette. Nicht grad das man in einen Kurvenrausch verfallen könnte, aber immerhin ausreichend um in der drückenden Hitze nicht vor Langweile vollständig ein zu dösen.
Dies Abwechslung dauert allerdings nicht allzu lang, denn die letzten 40 km bis zur Panamerikana gehen wieder flach stur geradeaus. Optische Abwechslung bietet dann linkerhand nur eine Reihe von Tafelbergen an denen ich die ganze Zeit vorbei zisch.

Etwas hügelige Abwechslung
Flach gehobelte Tafelberge

Bisher war Nicaragua für mich noch nicht so der „Bringer“, aber ich will dem Land noch eine Chance geben. Als ich auf die Panamericana stoße bieg ich daher rechts nach Sebaco ab, um von dort weiter ins Landesinnere vor zu stoßen.
Auch die Panamericana läuft langweilig schnurgerade durch eine heiße Ebene. Erst als ich in Sebaco Richtung Matagalpa ins Landesinnere fahre, lässt die Landschaft kommenden Fahrspaß und Abwechslung vermuten.

Hängemattenverkaufsstand an der Panamericana
Auf dem Weg ins Landesinnere
Endlich macht angasen wieder Spaß
Jinotega

Gemäß Straßenkarte müsste ich bis Matagalpa fahren und dort nach Jinotega abbiegen, doch schon ca. 10 km vorher zeigt ein Wegweiser (!!!) nach Jinotega. Diese Straße ist auf meiner Karte gar nicht eingezeichnet, da sie aber gleich schön kurvig loslegt zöger ich nicht lang und nehm sie unter die Räder. Eine sehr gute Wahl. Bester Belag, kurvig auf und ab und ich hab sie total für mich alleine. So macht gasgeben wieder richtig Spaß.
Dieser Spaß geht bis zum Ortsanfang von Jinotega, dann wird aus bestem Teer ein übler Kartoffelacker. Der Straßenzustand passt aber bestens zum Ort. Jinotega scheint zwar recht groß zu sein, macht aber einen recht armseligen, heruntergekommenen Eindruck. Selbst der Supermarkt einer in Mittelamerika recht weit verbreiteten Supermarktkette wirkt total heruntergewirtschaftet. Aber immerhin kann ich dort Milch und etwas zum Essen für mein verspätetes Frühstück (es ist schon nach 13 Uhr) einkaufen.
Touristen scheinen hier sehr seltene Exoten zu sein, denn die KLR und ich sind hier die absolute Sensation. Bis ich mich zur Weiterfahrt gerüstet hab wird die interessiert schauende Menge immer größer, hält aber einen gebührenden Abstand. Als ich beim Wegfahren den Leuten zuwinke, winken alle zurück und mir wird vereinzelt „viaje feliz“ zu gerufen. Arm, aber freundlich und nett.
Kurz nach Jinotega bekommt die Straße ihren Belag wieder, es geht vorbei am Stausee Lago de Apanás, immer kurvig und bergauf, bergab. Da ich in den Bergen bin, verschwindet wiedermal der blaue Himmel und dunkle Wolken ziehen auf. Ab und zu fängt es an zu tröpfeln. Seit Costa Rica scheint es mein Schicksal zu sein in den Bergen Regen ab zu bekommen. Einen Vorteil hat das Ganze immerhin, es ist lang nicht mehr so heiß.
In San Rafeal del Norte verliert die Straße wieder ihren Teerbelag und bekommt ihn nach der Ortschaft auch nicht wieder. Zwei einheimische Endurofahrer auf hier untypischen 250er Honda kommen mir in einer Kurve entgegen gedriftet. Endurostiefel, Crosshelm und Crossoutfit sind an einheimischen Motorradfahrern auch eher selten zu bewundern, aber die Zwei sind hardcoremäßig ausstaffiert und kamen mir auch so entgegen. Sie halten an, ich halte an und wir bewundern uns gegenseitig. Von ihnen erfahr ich, dass auf meiner vorgesehenen Route – noch ca. 140km über Venecia, Telpaneca, San Fernando, Mozonte nach Oeotal an der Panamericana – kein Teerbelag mehr anzutreffen ist und es auch keine Hotels gibt.

Lago de Apanás
50 km bestes Pflaster
Fruchtbares Flusstal

Da es schon nach 14 Uhr ist, die Wolken immer noch dunkel am Himmel hängen und ich ein Beckenrandschwimmer bin, dreh ich um und fahre über La Concordia nach Esteli. Eigentlich hatte ich erwartet das auch der Teerbelag dieser Straße einer Dirtroad weicht, doch ich erleb eine Überraschung. Als der Teer weicht einer nigelnagelneu aussehenden Betonpflasterdecke, die sich in hervorragendem Zustand über 50 km durch das Land bis nach Esteli windet.
Die 50 Kilometer Pflastern zu lassen dürfte kein billiges Vergnügen gewesen sein. Immer wieder erstaunlich welche Monumente der Verschwendung von Entwicklungs- und/oder Steuergeldern zu bewundern sind. Bei uns, in diesem unserem Deutschen Lande, gibt es das ja auch, hier ist es nur viel deutlicher zu sehen.

Von Esteli geht es auf der Panamericana nach Oeotal, ca. 30 km vor der Grenze nach Honduras. Obwohl es erst gegen 17 Uhr ist, ist es wegen der normalerweise sehr langwierigen Aus- und Einreiseprozeduren doch schon zu spät um schon heute Nicaragua zu verlassen. Am Ortseingang finde ich ein preiswertes, recht luxuriöses Hotel mit TV, AC & WLAN für 250 Cordobas (ca. 8,50 Euro). Da wird nicht lang überlegt, sondern sofort eingecheckt.

Oeotal ist eine größere Stadt, eigentlich müsste es da so etwas wie ein Einkaufszentrum geben. Deshalb mach ich mich nach dem einchecken nochmal auf den Weg um mir etwas zum Abendessen und FVB zu besorgen. Doch obwohl die Panamericana als Hauptgeschäftsstraße um den gesamten Ort herum führt, ist von einem Supermarkt oder kleinerem Laden nichts zu entdecken. Selbst bei der riesigen Tankstelle – mit letztlich doch nur drei Zapfsäulen – gibt es keinen Shop. Also ab ins Stadtzentrum. Dies ist wiedermal gar nicht so einfach zu finden. Aber ungezieltes rumkurven und dann systematisches einkreisen führt letztlich doch zum Erfolg.
Die Stadt ist wie ausgestorben (Samstag Spätnachmittag), alle Geschäfte geschlossen, doch der vergammelte Supermarkt in der Nähe der Kirche ist noch geöffnet. Mit Mühe finde ich in dem spärlichen Warenangebot etwas um den Magen zu beruhigen, aber kein Bier. Dies bekomme ich im Hotel und so ist der letzte Abend in Nicaragua doch noch gerettet.

25.02. – 26.02. 2011 Nicaragua zum zweiten und letztem Mal